Willkommen im Kreis 3

Eine Arbeit über die Integration in eine bestehende Gemeinschaft am Beispiel des Kreis 3 in Zürich

In den letzten 10 Jahren sind zwischen 41 000 und 46 000 Personen pro Jahr nach Zürich gezogen.¹ Für viele ist ein Umzug und besonders ein Kantons- oder sogar Landeswechsel immer auch mit Komplikationen und Unsicherheiten verbunden.

¹ Quelle: Tages Anzeiger, Die grosse Zürcher Zuwanderungsstatistik

Einleitung

Wie integriere ich mich möglichst schnell und einfach in ein bestehendes Quartierleben? Und wie kann ich mein Quartier, in dem ich schon länger wohne, noch besser kennenlernen?

Mit diesen Problemstellungen habe ich mich in meiner Diplomarbeit auseinandergesetzt. In meiner Arbeit habe ich dabei den Kreis 3 der Stadt Zürich als Beispiel genommen. Zur Lösung der Problemstellung im Kreis 3 habe ich eine App konzipiert und gestaltet, welche neuen und bestehenden Bewohner des Kreis 3 ermöglicht, diesen zu entdecken und sich in der Gemeinschaft mit einzubringen.

Der Kreis 3 umfasst die Quartiere: Sihlfeld, Alt-Wiedikon und Friesenberg. 2019 lebten etwas über 45 000 Personen im Kreis 3, damit ist er der am zweitstärksten bevölkerte Kreis in der Stadt Zürich.

Bevölkerung Stadt Zürich 2019:

24173541334461928935361274564828098297971533827029117535786
48125 - 55000
41250 - 48125
34375 - 41250
27500 - 34375
20625 - 27500
13750 - 20625
6875 - 13750
0 - 6875

Quelle der Daten: Open Data Zürich

Im Jahr 2019 war der Kreis 3 der am drittmeisten Zuzüger von anderen Kreisen der Stadt Zürich verzeichnete.

Zuwanderer aus einem anderen Kreis 2019:

1193133710229289381163886818798972554561
1225 - 1400
1050 - 1225
875 - 1050
700 - 875
525 - 700
350 - 525
175 - 350
0 - 175

Quelle der Daten: opendata.swiss

Befragung

Besonders weil ich einen persönlichen Bezug zu diesem Thema habe, ich bin selber neu in den Kreis 3 gezogen, war es mir wichtig, in meiner Erarbeitung objektive Entscheidungen zu treffen und diese, wenn immer möglich, auf Daten zu stützen. Daher und auch um mich vertieft mit meiner Fragestellung auseinander zusetzten, habe ich mich in einem ersten Schritt mit den Betroffenen direkt ausgetauscht und 17 Zuzüger und Zuzügerinnen vom Kreis 3 diesbezüglich befragt.

In meiner Befragung habe ich darauf abgezielt zu verstehen, welche Bedürfnisse neue Bewohner im Kreis 3 haben. Bewohner, die schon länger im Quartier wohnen, habe ich über ihr Informationsverhalten, ihr Engagement im Kreis, Tipps und Tricks, die ihnen geholfen haben, als sie selber neu im Kreis waren, befragt.

«Profitiert habe ich vor allem von Personen die schon länger hier wohnen und Bescheid wissen was wo läuft»

Zitat aus der Befragung

Die Befragung hat gezeigt, dass die Mehrheit der Zuwanderer besonders von Tipps und Empfehlungen von Freunden und einem bestehenden Umfeld profitieren konnten. Nach den persönlichen Empfehlungen ist bei meiner Befragung Facebook am zweithäufigsten erwähnt worden. Davon ausgegangen dass jüngere Personen vermehrt auf Facebook verzichten, was eine Studie von eMarketer besagt, sind sie besonders auf die Empfehlungen anderer Personen angewiesen.

Eigene Abbildung basierend auf den Daten von Sprout Social

Ebenfalls habe ich in der Befragung herausgefunden dass die Mehrheit der Befragten dazu bereit sind eigene Angebote in Form von Workshops, Deutschkursen oder Nachhilfe anzubieten.

Alle Antworten der Umfrage als CSV: Download

Recherche

Gibt es bereits Lösungen für die Problemstellung? Ich habe mir in einer Recherche folgende Angebote genauer angesehen:

«hellozurich – Das Stadtmagazin»
Das Stadtmagazin hat besonders gut aufbereitete redaktionelle Artikel, meistens in Form von Reportagen. Benutzer haben die Möglichkeit unter anderem die Lieblingsorte der Redaktion zu speichern. Leider kommt dafür der Austausch in der Gemeinschaft (Community) und das Profitieren von den Erfahrungen anderen zu kurz.

Pro:

  • Qualität der Beiträge
  • Merkliste
  • Kartenansicht

Kontra:

  • Kein Austausch innerhalb der Gemeinschaft
  • Keine eigenen Beiträge

«AirBnb Erlebnisse»
Die Angebote auf AirBnb haben einen starken Fokus auf Erlebnisse und richten sich hauptsächlich an Touristen, die sich für die Stadt Zürich interessieren. Aus diesem Grund eher unpassend für eine Community des Kreis 3. Dafür lassen sich die Erlebnisse kommentieren, was einen gewissen «Community» Aspekt beinhaltet.

Pro:

  • Du kannst selber auch ein Anbieter sein
  • Kommentare auf den Erlebnissen

Kontra:

  • Tourismus orientiert und daher ungeeignet für eine lokale Gemeinschaft

Zusätzlich habe ich mir die App «Allthings» aus der Immobilienbranche angesehen, diese verfolgt unter anderem auch das Ziel, dass die Nachbarschaft stärker zusammenwächst. Durch die Begrenzung auf die Nachbarschaft innerhalb der Überbauung ist die Gemeinschaft allerdings sehr klein und eingeschränkt. Der Fokus dieser App lag jedoch auch auf der eigenen Wohnung, sowie der Kommunikation zur Bewirtschaftung der Überbauung.

Pro:

  • Unterstützt die Bildung einer Gemeinschaft
  • Eigenes inserieren

Kontra:

  • Die Gemeinschaft ist sehr klein
  • Fokus liegt eher auf der Kommunikation zur Immobilienverwaltung

Ideation

Mit den Einblicken, die ich durch meine Befragung der Zielgruppe und durch meine eigenen Erfahrungen gemacht habe sowie einer Recherche, was bereits besteht um ähnliche Probleme zu lösen, machte ich mich an die Ideenfindung.

«Der einfachste Weg zu einer guten Idee, ist, viele Ideen zu haben.»

Linus Pauling

Eine meiner Lieblingsmethoden dafür ist die «Crazy-8-Methode»: man faltet ein Blatt Papier 1x in die horizontale Hälfte und 2x in die vertikale Hälfte, so entstehen acht Flächen. In diese Flächen werden 8 Ideen in 8 Minuten gezeichnet (pro Idee eine Minute).

Dabei formte sich mir die Idee einer Sammlung von Informationen zu gestalten. Darin sollten möglichst alle Informationen zum Kreis 3 beinhaltet sein; Restaurants, Bars, Clubs, Vereine aber auch Informationen zum Abfall und Recyclingsystem im Kreis 3 ect. Zusätzlich im Fokus sollte ja die Gemeinschaft sein und aus diesem Grund habe ich in den ersten Entwürfen ein digitales schwarzes Brett angedacht, auf welchem die Bewohner inserieren und auf die Inserate anderer antworten können, entweder in Form eines Kommentar oder als Privatnachricht.

Personas

Um meine Zielgruppe besser zu verstehen, habe ich 4 Personas entwickelt, welche mir dabei helfen, die Empathie der Zielgruppe zu verstärken. Zudem habe ich den Personas eine entsprechende Benutzerrolle in meiner App zugewiesen.

Darf ich vorstellen: Jan Neumann, Valentin Christen, Larissa Spirituell und Lara Schreiber.

Jan Neumann: Er ist der Neue im Quartier, er möchte sich mit seinen Freunden im Kreis 3 integrieren.

Valentin Christen: Er ist schon einige Jahre im Quartier zuhause und nutzt die App um Neues in seinem Quartier zu entdecken. Er möchte zu den ersten gehören, die die neusten Trends entdecken.

Larissa Spirituell: Sie ist Besitzerin einer neuen Yogaschule im Kreis 3 und sie nutzt die App um Schnupperlektionen ihrer Yogaschule zu inserieren und erhofft sich dadurch mehr Besucher in ihren regulären Klassen.

Lara Schreiber: Sie ist freischaffende Journalistin, in ihrer Freizeit schreibt sie gerne Erfahrungsberichte von Kaffees und Restaurants, die sie besucht hat und veröffentlicht diese in der App.

User Journey und Wireframes

Da ich die Bedürfnisse verschiedener Benutzergruppe auf meiner Plattform abdecken möchte, habe ich User Journeys für die Benutzergruppen erstellt. Diese zeigen in schriftlicher Form, wie dass der User mit einem Bedürfnis, die App bedient und wie er durch die App navigiert, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Die Wireframes sind Konzeptentwürfe, die aus den Flows der User Journeys entstanden sind. Darauf zu sehen sind alle nötigen Elemente damit ein User die Applikation bedienen kann. Die Wireframes helfen zu verstehen ob die Idee als Konzept funktioniert.

Testings

Während der Erarbeitung habe ich das Konzept in mehreren Feedback-Runden und mit mehreren Usability Testings auf Schwachstellen und Unklarheiten getestet. Dabei konnte ich eine Aussensicht meines Projekts erlangen und habe dabei einige Unklarheiten gefunden, welche hauptsächlich auf den zu grossen Funktionsumfang zurückzuführen waren.

Meine ersten Entwürfe des Konzepts umfassten zu viele Funktionen, das Konzept soll schlüssig sein um ein minimum viable product (MVP) Produkt zu entwickeln, welches zu einem späteren Zeitpunkt immer noch mit zusätzlichen Funktionen ausgebaut werden kann.

Die vielen Funktionen hatten zur Folge, dass das Ziel der App nicht klar verstanden wurde. Als Massnahme dafür habe ich den Funktionsumfang der App bedeutend auf das Wesentliche reduziert und eine klare Abgrenzung gemacht, was die App kann und was nicht.

Auf der App können...

  1. ...Aktivitäten und Geschäfte entdeckt werden.
  2. ...Aktivitäten und Geschäfte gespeichert werden.
  3. ...Aktivitäten und Geschäfte inseriert werden.
  4. ...angesehen werden was andere erlebt haben.
  5. ...eigene Erfahrungen mit Community geteilt werden.

Innerhalb der App können keine...

  1. ...Nachrichten empfangen oder versendet werden.
  2. ...keinen Personen «gefolgt» werden.
  3. ...keine kantonale / administrative Informationen gefunden werden.

Die App soll den Bewohnenden des Kreis 3 ermöglichen, ihr Quartier (neu) zu entdecken und sich in der Gemeinschaft einzubringen. Der natürlichste Weg sich nachhaltig zu integrieren ist das gemeinsame Erleben. Dies machen sie, indem sie Angebote inserieren oder an inserierten Angeboten anderer Benutzer teilnehmen.

Früher hat man sich auf dem Dorfplatz darüber ausgetauscht, wo was und wann los ist. Dafür soll die App des Kreis 3 eine moderne Alternative bieten. Basierend auf den Interessen des Users werden ihm Vorschläge aufgezeigt, was er unternehmen kann (Freizeitangebote, Veranstaltungen, Sport, Restaurantvorschläge ect.).

Als Folge der Usability Testings habe ich die Navigation angepasst um die Priorisierung meiner Fragestellung stärker in den Fokus zu bringen.

Das Konzept

Im Onboarding der App werden die eigenen Interessen angegeben. Diese beinhalten Restaurants, Ausgangsmöglichkeiten, Sport, Kunst, Kultur, Workshops und vieles mehr.

Basierend auf den angegebenen Interessen werden auf der Startseite diverse, passende Angebote im Kreis 3 angezeigt. Gefällt einem ein Angebot kann dieses auf seiner Bucketlist gespeichert werden.

Basierend auf den angegebenen Interessen werden auf der Startseite diverse, passende Angebote im Kreis 3 vorgeschlagen. Wie sehr ein Angebot zu einem passt, zeigt ein «Match» in Prozent an. Gefällt einem ein Angebot, kann dieses auf einer Bucketlist gespeichert werden.

Möchte man zum Beispiel eine Yoga-Schnupperlektion anbieten, so kann man, nachdem man sich registriert hat, das eigene Angebot einreichen welches nach einer Überprüfung durch den Kanton Zürich veröffentlicht wird. Die Bewohner des Kreis 3 können diese Beiträge auf ihren «Bucketlists» speichern und mit weiteren Beiträgen kombinieren oder ergänzen. Aktivitäten auf der Bucketlist können als «ich war hier» markiert werden und können zusätzlich durch eigene Inhalte (Texte und Bilder) Tipps und Tricks weitergegeben werden. So können andere Benutzer der App von deinen Erfahrungen profitieren.

Neue Bewohner des Kreis 3 haben so die Chance einen Einblick in das Quartier-Leben zu erlangen und finden für sich passende Aktivitäten. Weiter können sie aus den veröffentlichten Bucketlists von anderen Benutzern ihre eigenen Bucketlists mit Lieblingsorten oder Aktivitäten erstellen.

Der USP (Unique Selling Point) der App ist die Community. Die App muss mehr sein als «nur» ein Verzeichnis, welches aufzeigt wo was ist. Die User sollen aktiv die Möglichkeit haben, passende Beiträge zu entdecken und eigene Beiträge hinzuzufügen. Durch das gemeinsame Erleben wächst die Gemeinschaft auf eine natürliche Art und Weise stärker zusammen.

Design

In einer Feedbackrunde bekam ich eine kritische Rückmeldung zum Entwurf meines ersten Designs. Der erste Entwurf hatte sehr wenig Charakter und war ein schlichtes «Flat Design». Meine erste Schriftwahl, die auf Google Fonts angebotene «Inter», hatte sich auch nicht besonders mit der Thematik meiner Arbeit gedeckt. Aus diesem Grund habe ich dann nach einer lokalen, schweizer Schrift gesucht mit mehr Charakter. Ich habe mich für eine Kombination einer Serifenschrift, die «Suisse Neue» und der Sans Serif «Suisse BP int'l» von Swiss Typefaces entschieden.

Weiter habe ich mich für eine Farbpalette entschieden, welche freundlich, einladend und modern sein soll und der App einen emotionalen Charakter verleiht.

Das Design System meiner App ist auf einem 8px Grid aufgebaut, d.h. alle Abstände lassen sich durch 8px teilen. Meine Komponenten bestehen aus diversen Atomen, wie ich diese Unterteilung gemacht habe, ist auf dem Bild weiter unten zu sehen.

Designentscheidungen

Einige Entscheidungen, die ich im Design und Konzept getroffen haben möchte ich besonders hervorheben. Dieses Konzept wurde am Beispiel des Kreis 3 konzipiert, das Konzept könnte sehr gut auch auf weitere Kreise oder sogar auf die gesamte Stadt erweitert werden. Da zur Zeit der Fokus des Konzepts auf einem Kreis liegt, habe ich mich gegen den Einsatz einer Karte entschieden, da sich die Aktivitäten meistens in Gehdistanz befinden.

Auch wenn es sich positiv auf das bilden einer Gemeinschaft auswirken könnte, habe ich mich gegen eine Nachrichten Funktion innerhalb der App entschieden. Der Grund dafür ist, dass die Aktivitäten auf der App möglichst offen angeboten werden sollen, ohne dass eine «Vorauswahl» via Nachrichten stattfindet. Zudem war es mir wichtig, dass sich die App nicht in die Richtung einer «Dating-App» entwickelt. Die Gemeinschaft wird durch das gemeinsame Erleben von Aktivitäten gestärkt.

In der App wird das Wort «Bucketlist» verwendet. Dies steht für die Listen von gespeicherten Beiträgen. Ich habe mich hier bewusst für das englische Wort entschieden. Das Wort “Bucketlist” wird oft im Zusammenhang mit Reisen und Erleben verwendet und aus diesem Grund schien es mir für meinen Verwendungszweck sehr passend.

Das Konzept stützt sich stark auf die in meiner Umfrage gewonnenen Erkenntnisse, dass die Mehrheit der Befragten nicht sehr engagiert im Kreis sind, jedoch sind sie dazu bereit, sich stärker zu engagieren. Zudem können die Zuzügelnden von dem Wissen der bestehenden Gemeinschaft profitieren.

Prototyp

Happy Tuesday 👩‍💻